CDs
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NEUES
AUS
DER
M U S I K W E L T
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POP
Eine Linda Thompson hatte ihre
Solo-Karriere wegen panischer
Angst vor Mikros im Aufnahmestu-
dio in den
17
Jahren vor dem
2002
veröffentlichten „Fashionably Late“
eigentlich schon komplett aufge-
geben. Grace Griffith dagegen ist
durch ein körperliches Gebrechen
fast ruiniert worden. Als „singer’s
singer“ von Kolleg(inn)en nach
ihren ersten
Platten gerühmt,
förderte sie die Karriere der von
gefährliche Operation wieder. Dass
sie nun mit „PassingThrough“ nach
der
2012
erschienenen Retrospekti-
ve „Sailing“
(4
1/2
Sterne für Musik
und Klang in STEREO
8
/
20 12
) ihr
erstes neues Album vorlegen kann,
ist ein kleines Wunder.
Die Songs nahm sie a capella
solo im Laufe von zwei Jahren
auf. Produzent Chris Biondo orga-
nisierte die Sessions, bei denen
live die Backing-Tracks eingespielt
wurden. Nichts an dieser betören-
den Stimme und den perfekt har-
monierenden, auf die Stimme und
aufeinander hörenden Begleitern
lässt hier darauf schließen, dass
diese Aufnahmen im Playback ent-
standen. Da klingt der Bonus-Track
„Water, Fire And Smoke“ wie ein
Outtake aus Joni Mitchells „Blue“.
Evergreens wie „Loud Are The Bells
Of Norwich“ singt sie so lebens-
bejahend wie den A-capella-Song
„The Woodthrush‘s Song“. Emmy-
lou Harris’ „Cup Of Kindness“, nur
einer der Höhepunkte hier, lotet
Grace Griffith emotional so tief
aus wie die Harris selbst, welche
übrigens umgekehrt ein erklärter
Griffith-Fan ist!
Franz Schöler
MUSIK ★ ★ ★ ★
KLANG ★ ★ ★ ★
Grace Griffith
PASSING THROUGH
B
lix Street/RTD CD
(V
.Ö
.: 26.1.)
ihr entdeckten Eva Cassidy, nur
um sie an Krebs sterben zu sehen
und
19 9 8
selbst an Parkinson zu
erkranken. Ein Sangestalent in der
Liga einer Kate Wolf, Cathie Ryan
und Kate Rusby, verlor sie zwi-
schendurch ihre Stimme gänzlich.
Kontrolle über die erlangte sie nur
durch eine experimentelle, lebens-
ools Holland & His Rhythm &
Blues Orchestra
SIRENS OF SONG
East West/Wamer CD
V
.Ö
.: 30.1. (auch als LP
) (48’)
Und ewig locken die Sirenen mit
ihrem betörenden Gesang .
.. Im vor-
liegenden Fall treten die in Gestalt
großer Sängerinnen von heute auf,
darunter Emeli Sande, Joss Stone
und Laura Mvula. BBC-Showmaster
Jools Holland konnte die Damen
überreden, mit seiner Big Band ei-
nen Ausflug in fremdes Musikgebiet
zu unternehmen. So gibt etwa Kylie
Minogue in einer originellen Um-
setzung des Clash-Titels „Should I
Stay Or Should I Go“ glaubhaft die
Gospelvokalistin, und KT Tunstall
swingt in „Night And Day“ von Cole
Porter, als wär’s ihre leichteste
Übung. Diesen Sirenen hätte auch
Odysseus nicht widerstanden.
hake
MUSIK ★ ★ ★ ★ ★
KLANG ★ ★ ★ ★ ★ ____________
Gianna Nannini
HITALIA
RCA/SonyCD
(57’)
In ihrer langen Karriere hat Gianna
Nannini zwischendurch immer wie-
der mal Fremdhits aus der Feder
von Landsleuten eingestreut, nun
widmet sie solchen eine ganze CD.
Auf „Hitalia“ verbeugt sie sich in
ausgewählten Canzoni aus dem
20
. Jahrhundert tief vorm Musik-
erbe der Heimat. Das Stilspektrum
reicht von Schlagern („Volare“) über
60
’s-Beat („Pugni Chiusi“ von I Ri-
belli) und Beseeltem von Cantautori
wie Lucio Dalla bis zum Gassen-
hauer „Mamma“, von Heintje einst
eingedeutscht. Die Nationalheilige
Gianna interpretiert all das gewohnt
burschikos, die Rockbearbeitungen
dagegen hätten ruhig etwas mehr
Biss haben dürfen.
hake
MUSIK
KLANG ★ ★ ★
Willie Nelson And Sister Bobbie
DECEMBER DAY -
WILLIE’S STASH VOL. 1
Sony CD____________________(61
’)
Die Mutter verließ sie, als sie noch
ganz klein waren, der Vater heiratete
wieder und zog ebenfalls weg, also
wurden Willie und seine Schwester
Bobbie zu den Großeltern abge-
schoben. Diese Erfahrung hat die
Geschwister zusammengeschweißt,
ihre Familienbande prägt nun auch
das nette Alterswerk „December
Day“. Die Unzertrennlichen spielen
hier Oldies von Nat King Cole, Irving
Berlin und aus Willies Songfundus
in ganz schlichten, nach Hausmusik
klingenden Akustikfassungen. Auch
wenn nicht jeder Ton an Gitarre und
Piano (Bobbie) sitzt, gemütlich und
heimelig ist das Seniorenkränzchen
allemal.
hake
MUSIK ★ ★
KLANG ★ ★ ★
Melissa Etheridge
THIS IS M.E.
SPV
CD
(V.Ö
.: 16.1.) Auch als LP
erhältlich
(42
')
Obwohl die Ende der
8 0
er bekannt
gewordene Rocksängerin kontinu-
ierlich Alben veröffentlichte, blieb
es die letzten Jahre eher still um
sie. Da erscheint der program-
matische Titel „This Is M.E.“ wie
eine Kurskorrektur: Veröffentlicht
zum ersten Mal nicht auf einem
Major Label und unterstützt von
zahlreichen Songwritern singt Me-
lissa Etheridge relativ offen über
Leidenschaft und ihre (Homose-
xualität. Und siehe da: Trotz einiger
Lalala-Plattitüden findet man viel
von dem, was man an ihrem Debüt
schätzte: Kraft und Eingängigkeit,
ihre markante Reibeisenstimme
und die muskulös und cool insze-
nierten Rocksongs.
pb
MUSIK
KLANG ★ ★ ★
Omara Portuondo
MAGIA NEGRA
World Village/Harmonia Mundi CD
(44’)
55
Jahre nach ihrem ersten Long-
player hat die
19 3 0
in Havanna
geborene Sängerin und letzte
Überlebende der Buena Vista So-
cial Club-Vokalisten ihr Debüt mit
fast identischem Tracklisting neu
eingespielt. Der Sound ist natürlich
frischer. Zudem sorgen moderne,
meist sehr jazzige Arrangements,
Rap-Einlagen und Gastsänger wie
Ivan Lins für weitere Neuerungen.
Rhythmisch äußerst abwechslungs-
reich und dennoch tief in der La-
tin-Musik verwurzelt glänzt Omara
Portuondo mit ihren Interpretatio-
nen von Ellingtons „Caravan“ oder
der Adaption von Harold Arlens
„That Old Black Magic“, das dem
Album seinen Titel gab.
wz
MUSIK ★ ★
KLANG ★ ★ ★
120 STEREO 2/2015
★ ★ ★ ★ ★ hervorragend I ★ ★ ★ ★ sehr gut I ★ ★ ★ solide I ★ ★ problem atisch I ★ schlecht